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Neue Pisa Studie: Die Rolle von Schulen, Lehrkräften und Eltern bei der Bekämpfung von Mobbing

Neue Pisa Studie zum Wohlbefinden von Schüler_innen in Schulen

Der dritte von insgesamt fünf Bänden der PISA-Studie (PISA = Programme for International Student Assessment. ) befasst sich mit dem Wohlbefinden von Schüler_innen (SuS) im Alter von 15 Jahren aus 72 Ländern (530 Seiten, 2017). Untersucht wurde eine Reihe von Indikatoren, die sowohl negative Ergebnisse abdecken (z. B. Angst, schlechte Leistung) als auch positive Impulse, die eine gesunde Entwicklung fördern (z. B. Interesse, Engagement, Motivation). Results (Volume III): Students‘ Well-Being, OECD Publishing, Paris.

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Von den deutschen Medien werden Phänomene wie Mobbing aus der Studie herausgetrennt und in den Vordergrund gestellt. Das ZDF überschreibt ihren PISA-Beitrag z.B. mit „Mobbing: Schule für viele ein „Ort der Qual“. Wenn man der Bild-Zeitung glauben darf, dann bezweifelt der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, grundsätzlich den Wert der Untersuchung und forderte die ersatzlose Streichung der PISA-Studie.

Die PISA-Studie unterscheidet ihrer Untersuchung nicht zwischen Cybermobbing und konventionellem Mobbing (engl. Bullying), sondern zwischen relational, verbal und physischen Arten des Mobbings.

 

„Bullying at school can have long-lasting consequences for students’ (both victims and bullies) psychological well-being.“ (OECD 2017, S.133) Jugendliche, die als Akteure, Opfer oder beides in Schulmobbing involviert sind, fehlen häufiger in der Schule (Absentismus) und haben häufiger schlechtere Schulabschlüsse als Schüler_innen, die keine konfliktbelastenden Beziehungen zu ihren Peers haben (Konishi et al., 2010; Townsend et al., 2008). Bei Mobbern wie auch bei Mobbingopfern ist es wahrscheinlicher, dass sie Symptome von Depressionen und Angstgefühle zeigen, sie haben weniger Selbstwertgefühl, fühlen sich häufiger einsam, verändern ihre Essgewohnheiten und verlieren nicht selten Interesse an Aktivitäten (Haynie et al., 2001; Kochel et al., 2012; Striegel-Moore et al., 2002). Um weitere Bloßstellungen durch den Mobber zu reduzieren, verzichten Betroffene häufig darauf neue Freunde zu finden und verpassen damit die Chance besser unter den Klassenkameraden integriert zu sein (Juvonen and Graham, 2014). So beginnt die sogenannte Mobbingspirale (Olweus 1991). Diese Auffälligkeiten können, laut Pisa Studie, negative Langzeiteffekte bis ins Erwachsenenalter haben, z.B. im späteren Arbeitsleben (Drydakis, 2014).

 

Die konkreten Zahlen der Studie: Hier schneidet Deutschland (15,7% Mobbingfälle) im Vergleich z.B. mit skandinavischen Ländern (DK 20,1%, FIN 16,9%) etwas positiver ab (OECD Durschnitt 18,7%). In der Kategorie „ein paarmal pro Monat“ relativieren sich die Zahlen stark nach unten. 2015 wurden in D 1,7% von ihren Mitschüler_innen bedroht und 2,3% geschlagen oder geschubst (konventionelles Mobbing, wenn absichtlich und über einen längeren Zeitraum), Gerüchte verbreitet wurden über 7,3% der betroffenen SuS (verbales Mobbing). Die Dunkelziffer liegt hier sicherlich höher. Die Pisa Zahlen liegen im Vergleich zu anderen Studien von konventionellem Mobbing eher im oberen Bereich, was wahrscheinlich mit dem Alter der Probanden (15 Jahre) zu tun hat. Angaben bei Kowalski & Limber (2013), Olweus (2012) oder der JIM Studie (2016) schwanken zwischen 8 und 17,6 % bei Mobbingopfern. Daraus lässt sich schließen, dass es hier in den letzten 5 Jahren keine deutlichen Steigerungen vollzogen haben.

Cybermobbingzahlen wurden nicht gesondert erfasst, was die Einschätzung der Pisa-Studie nicht leicht macht, da Jugendliche heute kaum noch zwischen Online- und Offline Lebenswelten unterscheiden. Die Höhe der konventionellen Mobbingfälle ist im Vergleich zu Cybermobbingfällen 2-3 mal höher (Olweus 2012). In Deutschland gab es bei den 9 – 16-Jährigen 5% Cybermobbing-Betroffene und 3% Cybermobber/-innen, wie der EU Kids Onlinestudie aus 2011 zu entnehmen ist.

Überraschend konkret wird die PISA-Studie bei den Lösungsvorschlägen. Die PISA Verantwortlichen schreiben den Schulen eine klare Rolle in der Medienbildung und Cybermobbingprävention zu. „What emerges clearly from the PISA data, however, is that schools must do more to foster an environment of safety, tolerance and respect for children.“ (OECD 2017, S.7) „Schulen können Möglichkeiten für SuS kreieren, um das Internet verantwortlicher zu nutzen und sollen klare Präventionsprogramme einführen um Cybermobbing entgegenzutreten!“ (OECD 2017, S.6) Die Pisa Autor_innen schlagen vor, dass „Anti-Mobbing Programme Trainingseinheiten für Lehrkräfte beinhalten müssen, die konkret vorbereiten auf den Umgang mit Mobbingfällen und Strategien beinhalten, um sich mit betroffenen Eltern zu beraten. (OECD 2017, S.241)“

Einen realistischen Blick zur digitalen Kompetenz von Lehrkräften liefert der Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes (DPhV) Heinz-Peter Meidinger  „Ich finde, man kann Lehrern keinen Mangel an Kompetenz vorwerfen, wenn es sowohl an Materialausstattung als auch an Fortbildungen mangelt.“

Das warten auf die geeignete Fortbildung hilft auch den betroffenen SuS wenig. PISA weiter: „Pädagogen können Aggressionen und Schikanen reduzieren, indem sie ein Klima von Unterstützung und Empathie innerhalb und außerhalb des Klassenraums kreieren“ (Espelage et al., 2013; Goldweber, Waasdorp and Bradshaw, 2013; Johnson, 2009). Anstatt die Risikofaktoren beim Mobbing zu ignorieren (z.B. sozio-ökonomischen Ungleichheiten) könnten Lehrkräfte die Mobbingfaktoren bestimmen, die evtl. das Wohlbefinden bei den gefährdetsten SuS verhindern. (OECD 2017, S.240) „Fachkundige Intervention durch Lehrkräfte (in D auch Schulsozialarbeiter_innen) kann den Einfluss von Peers stärken und zu einem positiven Ende des Mobbings führen (ebd.S.185).

Die Resultate der PISA Studie bedeuten für die Politik (ebd.S.185):

  • Entscheidungsträger müssen mehr Ressourcen zur Verfügung stellen, um effektive Anti-Mobbing Strategien in Schulen einzuführen und den Austausch darüber zu fördern.
  • Lehrkräfte brauchen mehr Sensibilisierung für die nicht-körperlichen Formen von Mobbing. Eine klare Nulltoleranzstrategie bei jeglicher Form von Mobbing ist ebenso erforderlich wie das positive Vorbild der Lehrkraft beim Umgang mit Gewalt im Klassenraum.
  • Anti-Mobbing-Präventions-Module in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte sind unumgänglich.
  • Schulleitung, Lehrkräfte und SuS müssen im Klassenraum zusammenarbeiten, um die Verbreitung von Mobbing zu reduzieren.
  • In einer ganzheitlichen Schulpräventions- und Interventionsstrategie ist, durch die Unterstützung von Opfern, die Auseinandersetzung und Kommunikation mit Mobbern und klaren Regeln im Klassenraum, jede/r verantwortlich für das Wohlbefinden der SuS .
  • Mobbing Präventionsprogramme sollten Bewusstsein für ihre besondere Unterstützer- und Vermittlerrolle bei Eltern schaffen, anstatt sie nur als unbeteiligte Zuschauer zu behandeln. „Nur“ 46% der Eltern von gemobbten Kindern berichten, dass sie sich mit Lehrkräften über Ideen bei der Reaktion auf Mobbingvorfälle oder Erziehungsfragen ausgetauscht haben (OECD 2017, S.147).
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